altes

 

 

die riesenkrake (1983)

 

nach süden hin sitzt majestätisch die riesenkrake über kurstadt. niemand noch hat sie erkannt. liegt da, ruhig und unscheinbar, fordert keine menschenopfer wie die anderen berge ringsum, lässt sich bebauen und im winter von tausenden befahren. niemand hat sie in all den jahren bemerkt, allen felsen in der umgebung haben die leute der stadt eine geschichte gegeben, haben die bergwelt in gut und böse eingeteilt, nur die riesenkrake ist vergessen worden. zu unscheinbar und angepasst in den langen jahren seit der großen flut, wo sie übrig geblieben ist und sichs seither sachte angenehm gemacht hat. ihre weiten arme sind bewachsen mit saftigen wäldern, aus denen man dann olympische spuren geschlagen hat. gestern hab ich hinauf geschaut, uns sie hat sich mir zu erkennen gegeben, behäbig langsam und fast mit großstädtischer gleichgültigkeit einen rechten seitenarm übern seliberg bewegt, ganz kurz nur, den äußersten saugnapf hab ich deutlich sehen können. ihr kann es gleichgültig sein. mir jedoch wird das kein mensch glauben. ich bin aufgewirbelt, hab angst und ehrfurcht vor dem riesending, das unscheinbar die ganze stadt beherrscht. ich will sie beobachten, will versuchen, mich ihr mitzuteilen. oder soll ich sie doch in ruhe lassen, noch weitere tausend jahre, bis wieder einmal so viel wasser kommt, dass sie sich spielend davon machen kann? der große brocken, mehr als das halbe jahr mit kaltem schnee bedeckt, von warmen winden stets beblasen.

 

 

 

 

 

sie rührt sich nicht, vielleicht merkt sie, dass ich sie beobachte. wenn sie nicht will, wird meine neugier unbefriedigt bleiben. sie hat, im gegensatz zu mir, das warten gelernt.

an ihrer höchsten stelle haben die städter riesige antennen für radio, fernsehen und handy aufgestellt. nachrichten aus aller welt laufen dort zusammen und wieder weg. wie das wohl sein muss für sie? ob sie was spürt von den wellen?

heut hat sies gut. seit langem bläst kein wind und die maisonne frisst sich in den schnee. wenn ich bloß wüsste, wie sie hierher gekommen ist, in dieses kalte tal. etwas südlicher, ein paar hundert kilometer, und das salzige nass hätte sie schon längst verschluckt.

ein berg, der lebt. eine als berg verkleidete krake. bin ich verrückt geworden in diesen irren zeiten? ich sollte wieder ein paar tage weg. aber sie stiert mich an, dauernd spür ich ihren blick im nacken.

 

das große untier klebt verbittert zwischen gschtab und nardal, ich sitz im büro im zehnten stock, unfähig etwas anderes zu tun als dieses riesending zu begaffen, und tausend gedanken gestern nacht im bett. die fantasie ging durch mit mir: ich sah, wie sie sich nach all der zeit wieder einmal bewegte, wie arme, glitschig kalte riesenschlangen, sich durch die straßen schoben und über die häuser, sich im grünen kalten fluss wohlig fühlten, wie dieser vorgang jedoch ohne gewalt, ohne zerstörungswut geschah. nur hie und da brach ein haus zusammen, eine brücke. ein paar unaufmerksame autofahrer prallten gegen ungewohnte alpträume. und  polizei mit feuerwehr spielten endlich wieder einmal krieg, ein gefecht, das niemandem von schaden war.

so träumte mir heut nacht. und keine zurück gebliebene angst beim aufwachen, das letzte blid dann wie das freie fliegen: ich saß auf ihrem längsten arm, sie hob mich hoch, weit hinauf über die stadt, zum hochspitz, wo die versteinerte geizige fürstin sich als edles weib erwies, in dem ich mich gierig ertrank.

jetzt sitzt sie wieder ruhig, besonnen und zufrieden, unscheinbar. der runde kopf hat heute keine augen.

 

ich wäre gern dabei, wenn der berg sich langsam von der erde löst, sich schüttelt und freudig die letzten skifahrer ins tal fallen lässt und mit seinen vielen armen mächtig rudernd nach süden fliegt. die staunende menschheit wird nichts anderes zu tun wissen, als das ganze atomare, neutronische, chemische und konventionelle arsenal gegen mein liebstes tier zu schicken, die ersten raketen schon südlich der staatsgrenze, einzelne kampfjäger auch, in der nächsten großstadt zielt ein junge mit der steinschleuder auf realität gewordene fantasie, er trifft wie immer nur das fenster des nachbarn, doch gibt es diesmal dafür keine schläge.

die menschheit wird sich verbinden in sinnloser angst, man wird versuchen, das arme ungeheuer zum großen ozean zu führen. doch das riesenbaby will fliegen, frei sein, seine vielen arme übermütig in der luft verschränken. es wird böse werden, all die roten knöpfe sind gedrückt, und nach einer weile wird die krake aufgeben, irgendwo zu wasser sinken und auslaufen, ohne kraft und enttäuscht von dieser welt.

luft und wasser aber sind für leine halbe ewigkeit verseucht, viele menschen bei der wilden hetze umgekommen, do und dort werden noch jahre später einzelne blindgänger ganze städte zerstören, die losung der welt wird aber sein: wir sind gerettet, wir müssen aufbauen und neue waffen entwickeln, sonst sind wir beim nächsten mal nicht vorbereitet. und dann wird emsig aufgeräumt werden auf der erde, und nach einiger zeit wird alles wieder in ordnung sein, die menschen menschen aber werden bald schon ungeduldig darauf warten, dass ein berg wieder zu fliegen beginnt.

 

diese leben, was ist das nur tödlich langweilig und ich mittendrin. bin gerne in der stadt, mäßig verzweifelt übers unnütze dasein. gestern hab ich beigeschlafen einer alten freundin. kein erdbeben, ein höhenkoller auch nicht, aber so ganz locker und problemlos, zum schluss dann "servus, nett wars, bist ein liebes mensch" usw. und fertig? eben nicht. ich will auch gar nicht mehr so viel mit anderen, ein esel bin ich und feige noch dazu. so offen in die augen schauen und sagen: "siehe weib, ich habe gesündigt in gedanken, worten und werken", das wär ein held nach meinem geschmack, aber leider. ein lämmerschwänzchen ist dir zum freund geworden, verzeih, nie mehr, ich schwöre, herrgott ich bring mich um.

 

ein böser traum ging durch die nacht und machte mir die augen wund, am morgen noch besoffen von der angst, mit großen ringen im gesicht. mein freudenmädchen hat mich schändlichst betrogen, belogen und so hab ich schlecht geschlafen. froh war ich, dass schönes wetter war beim aufstehen, die sonne lachte mir die traurigkeit mit warmen strahlen weg, mein freudenmädchen konnte wieder lachen. der böse traum kommt nur zu jenen, die auf ihn warten, und was hab ich denn zeit vertrödelt in der hoffnung, dass das elend auf mich fiele. besonders oft ist mir der große schmerz auch nicht geglückt, meist kam es anders als ichs mir erwünschte. nur einmal bin ich tief ins schwarze loch gefallen und hab mir all die traurigkeit erheult, bis dass die tränen lächelnd wurden.

 

der riesige bau der wissensvermittlungsstelle beweist alleine schon, dass organisation GROSS geschrieben wird. kaum freiräume hier, alles ist geplant, eingeteilt, hat funktion. nur funktion. eines der höchsten gebäude der stadt, höher als das noble hotel, oder das krankenhaus. nur das neue gericht ist meines wissens ein paar meter höher in den himmel gewachsen worden. die größte funktion ist die funktion an sich, dass das ganze überhaupt noch läuft, bei so vielen menschen. bücher werden bearbeitet, konsultiert, auswendig gelernt und vergessen. prüfungen, hausarbeiten, dissertationen, und irgendwann ist man fertiger akademiker, fast ohne sein zutun, wenn man nur bereitwillig auf dem fließband mitfährt. nur jene, die sich manchmal ausruhen möchten, haben es schwer. auf dem fließband herrscht zwar ordnung, doch steht jeder dicht hinter dem anderen. fällt einmal jemand aus, rückt die endlose reihe schnell vor, füllt die leerstelle aus, und kaum einer findet noch platz, wenn er irgendwo unterwegs wieder aufspringen möchte.

 

GSCHTABERHÜGEL, 2248m hoher aussichtsberg südlich von kurstadt, mit seilschwebebahn von gill (seit 1928).

 

ich werd noch einmal zu ihr aufsteigen, den ganzen langen weg zu fuß laufen, durch steile wälder und menschliche lichtungen. die müssen aber geschmerzt haben, die schläge der holzfäller, die für das junge skiidol den weg durch dichte wälder schlugen. dort hinauf will ich steigen und schauen, ob an jenen kahlen flecken unter moos und geröll die neue freundin zu finden ist. hinein gehen in den berg und alte, versteinerte geschichten sehen. ein neuer großer zoo, die zukunftsschule.

dort, wo zum ersten mal sie sich bewegte, rechts hinter der sprungschanze in richtung süden, dort will ich beginnen. zunächst ein paar saugnäpfe suchen, irgendwo müssen sie zu finden sein, unscheinbar, neben dicken wurzeln alter bäume. ich stell mir vor den augenblick der ersten begegnung: der leichte schauer, angst und auch ein wenig ekel vielleicht, wenn glitschige muskeln meinen tritten antworten.

es könnte sein wie beim ersten mädchen. alles läuft schief, das gefühl bleibt jedoch für einige zeit überwältigend, stellt sich gegen die fakten und ist stärker. mehr möcht ich nicht, für den anfang würds reichen.

und dann nach hause, eilig in der vorstellung, wie ichs den freunden erzähle. dann doch bedenklich, ihre  misstrauischen mienen vorher ahnend. sie werden fragen stellen, noch bevor sie mich zu ende erzählen lassen, jeder für sich ein psychiatrisches gutachten ausarbeiten und, wenn sie dann unter sich sind, feststellen, dass er noch nie so gewesen sei, dass er schwierigkeiten in der beziehung, mit dem beruf habe, und sie werden sich fragen, wie man ihm wohl am besten helfen könne. also freunde? besser doch nicht, die wollen so etwas nicht verstehen, keiner hat ähnliche erfahrungen: stoff, meditation, ergo-ego, das schon. aber eine krake? ich werde also heimeilen zu meinem freundenmädchen und sie mit meiner lust übergießen. und sie wird glauben, das übliche, ich käme wieder von einer anderen und bemühte mich grad deshalb ganz besonders. aus schlechtem gewissen schwänzelnd um verzeihung bitten.

doch mit jemandem muss ich reden. nur alleine das monster für mich zu behalten, das schaffe ich nie, das wäre das ende. bald wird der letzte schnee im boden sich vergraben haben, der sommer naht, weniger hektik am berg. meist sind es ältere menschen, die für die restlichen jahre nach frischer luft suchen. die jungen haben noch genug davon, ein paar kinder auch, sonst wirds ruhig werden bis zum nächsten winter, nur die charterflüge in den süden brechen zu oft in die stille, und der ewig sanfte motorlärm unten im tal.

 

und wenns nun doch keine krake ist? wenns ein monstergalgenhügel ist für die riesen? von der stadt aus gesehen ist der berg sehr hoch, und wie erschreckend muss er selbst für riesen gewesen sein, wenn zwischendurch einer der bösartigen dort oben baumenlte, vom starken wind durch den himmel gebeutelt, bis urigen vögel ihren hunger gestillt hatten.

 

ein monstergalgenhügel oder eine ehemalige insel, die während der sintflut vielen einheimischen die letzte rettung war. nur die baumlose kuppe ragte aus dem wasser. selbst heute erinnern sich noch einige an jene schönen erzählungen der vorfahren, die berichten, wie noah mit seiner arche durchs land kam und das getier, welches sich dort, zusammengedrängt mit einigen menschen, vor dem tödlichen wasser in sicherheit gebracht hatte, mit auf sein floß nahm, weil er sah, dass reh und steinbock, marder und iltis, tatzlwurm und schneehase in seiner sammlung noch fehlten. die menschen jedoch ließ er nicht mitfahren, gleichwohl sie zunächst noch demütig ihre unschuld beteuerten und ihre frömmigkeit. doch als sie damit keinen ergolg bei noah hatten, wurden sie handgreiflich, warfen mit steinen und tschurtschen nach ihm, einer wollte ihm gar an die kehle. doch der von gott gestärkte schiffer kümmerte sich wenig um das geschrei der hilflosen und ließ sie ohne trauer und mitleid auf der öden insel zurück, wonach sie sich alsbald gegenseitig niedermetzelten. der letzte aber stürzte sich aus verzweiflung in die fluten, sein versteinerter leichnahm soll noch heute irgendwo im hochspitz liegen.

die heutigen bewohner  des landes sind streng genommen keine einheimischen. sie kamen viel später hierher, doch davon wollen sie nichts mehr wissen und verkaufen allerlei merkwürdiges als soevenier aus den bergen.

 

etwa in halber meershöhe des gipfels liegt ein schöner wallfahrtsort, ein gasthaus daneben, nicht weit davon eine seilbahnstation. dort ist vor einigen hundert jahren unsere liebe frau erschienen, mit dem ewig kleinen buben, in licht gehüllt uns monalisisch. und kindern, armen hirtenknaben gab sie den auftrag, ihr erscheinen den zuständigen behörden zu melden, damit diese den hl. ort der niederkunft durch den bau einer kirche auch gebührend würdigten. und die herzen der mönche lachten und sie freuten sich ob des wunderlichen wunders, und viele fromme pilgersleut ließen seither gebete und spenden für eine himmlische wohltat dort oben im wald.

 

als kind musste ich einmal hinauf. zum maiausflug. die lehrerin hatte uns gut vorbereitet, die geschichte konnten wir alle auswendig, so schön war sie und ergreifend. hirtenkinder. das hätten auch wir sein können. und wie schön die erscheinung gewesen sein musste. das helle licht wie der christbaum am weihnachtsabend. und die schöne, blonde jungfrau mit dem stets artigen gotteskind. das niemals in die hose machte oder in der nase bohrte. wir hoffte alle heimlich, ähnliches zu erleben. die meisten alleine, einige auch in paaren, suchten wir, am ort angelangt, ein wunder. die hl. maria mit dem sohne. es war wie pilzesuchen im märchen, und angst hatte ich davor, ein anderes kind rufen zu hören: ich hab sie! hier sind sie!

da jedoch, wie immer, wenn man etwas erzwingen will, der himmel unsere einfältigen gebete nicht erhörte, vergaßen wir die heiligkeit des ortes bald und spielten auf dem kleinen platz vor der kapelle fußball, was wiederum einen ehrfürchtigen pilger so erzürnte, dass er der lehrerin mit einem leserbrief in der lokalen zeitung drohte.

heute wird vor allem die jausenstation dort oben geschätzt. da eine öffentliche zufahrt fehlt, müssen die leute etwa ein halbe stunde vom parkplatz bis zur wirtschaft hinauf steigen. die große masse gelangt nicht dorthin. die kapelle ruht sanft, der wirt macht geschäft.

 

vor jahren haben sich wagemutige skifahrer vom gipfel des berges in die tiefe gestürzt und sind dabei ganze nahe der wallfahrt- und jausenstation mit weit über 100 km/h vorbei geschossen. alle überlebten diese denkwürdige fahrt schadlos.

 

aus der chronik von kurstadt.

zusammengestellt von karl retur. k., skriptor der k. und k. universitäts-blibliothek in kurstadt. 1897.

7. november 1818. abends nach 8 uhr sah man auf dem gschtaberhügel eine luft-erscheinung in gestalt einer armdicken, feurigen stange.

31. juli 1852. ankunft des königs von sachsen. er nimmt sein absteigequartier im österreichischen hof und besucht am 1. august den gottesdienst in der pfarrkirche. nachmittags macht er einen ausflug zum wallfahrtsort, von dort am 2. august auf den gschtaberhügel, wo er den sonnenaufgang beobachtete. abends reiste er wieder ab und bestieg den (die?) solstein.

10. juli 1867. ein theil der garnison macht einen übungsmarsch auf den gschtaberhügel unter führung des fms. nukh.

15. juni 1888. enthüllung der gedenktafel auf dem wallfahrtsort zur erinnerung an den besuch des gschtaberhügels durch se. majestät im jahre 1848.

29. juni 1888. eröffnung des schutzhauses auf dem gschtaberhügel.

 

der wohlstand hat viele südländer in die stadt geholt, welche die funktion der armen übernommen haben. man kann sie wohlwollend dulden, sie leben lassen, es sie als gnade verspüren lassen, niedrige dienste zu verrichten, oder auch schuldige finden, für allerlei unzulänglichkeiten des lebens. sie fallen auf durch körperwuchs, hautfarbe und kleidung. ist halt doch eine eigene rasse. eigentlich gibt es sie gar nicht. ihre existenz ist ausgeklammert aus dem öffentlichen leben, nichts von wegen cogito ergo sum. sie sind, aber nicht.

manchmal greifen sie zu den messern, zu den langen. in den stadtteilen zu fuße des hochspitzs, wo ein großteil in den alten, faulen gemäuern unterschlupf gefunden hat, siehts ganz südländisch aus, wenns blut durch die rinnsale fließt. eine schlagende studentenbande zeichnet sich dort ebenfalls tiefe narben ins gesicht, als signum von tugend und tapferkeit, und singt wahghalsige lieder ohne scheu in die nacht.

 

gestern ists plötzlich wieder klat geworden, ein wetterumschlag. und die berge liegen weiß im mai, auf den friedhöfen gehen die voreilig gepflanzten frühlingsblumen zugrunde, und das städtische schwimmbad startet mit defizit. einige touristen besichtigen im mantel die kombinierte bob- und rodelbahn, deren künstliches eis jedoch schon vor längerer zeit abgestellt worden war.

 

aus der chronik von kurstadt.

10. september 1898. erste erschütternde nachricht von der ermordung der kaiserin elisabeth.

15. september 1898. trauerkundgebung des kurstädter gemeinderates aus anlaß dieses traurigen ereignisses.

15. september 1898. durchfahrt der leiche ihrer majestät der kaiserin.

27. juli 1900. durchzug deutscher truppen nach china.

13. dezember 1902. fickerfeier an der universität.

 

einfach: fickerfeier an der universität. was der chronist sich dabei wohl gedacht haben mag? selige krake, fickrig sind deine klebrigen näpfe und mir mein unterleib, wenn ich sehe:

deutsche truppen beim durchzug nach china treffen unterm seliberg auf die majestätische leiche der kaiserin bei der durchfahrt, und sie stehen stramm und unbeweglich, eingedenk der würde und rührung des augenblicks, zwei jahre zu spät sind sie leider gekommen, doch wollen sies nicht glauben, und selbst heute gibt es noch kasernen voll junger burschen, die willig ihre zeit absitzen in der hoffnung, die leiche möge doch noch durchfahren und sie könnten an der hauptstraße entlang spalier stehen und salute in die luft schießen (helfgott!).

zusammenfassung für den heimatunterricht:

deutsche truppen vergewaltigen auf dem durchmarsch nach china während der fickerfeier an der universität die leiche ihrer majestät der kaiserin, welche sich dortselbst auf der durchreise befand.

 

in der nacht vom 16. auf den 17. des heumondes, zwischen 2 und 3 uhr morgens, weckte ein wilder sturmwind die menschen aus dem schlafe. urplötzlich fangte an der boden zu zittern, die zimmer wanken, das holztramwerk zu krachen, die fenster zu klappern. von den mauern schälte sich der anwurf. es fangten an die gewölbe zu schelln, die glocken in den kirchen sich selber zu läuten. es fielen die tafeln von den wänden, die kuglen von den gesimsen. viele kamine fielen mit jämmerlichen braschglen von den dächern. die häuser wurden von grund auf gleichsam über sich gehoben und wurden etwa vier bis fünf vaterunser lang unbeschreiblich erschüttert mit so mächtiger gewalt, dass kein haus in unserer stadt leicht zu finden ohne riss, ohne spalt, ohne andere schäden.

aus alter zeit. ein heimatbuch von hans namess. 1931. s. 171.

 

unverhofft und frech klopfte der international organisierte jugendterrorismus vor einiger zeit auch in unserer stadt an, doch blieben die türen und tore derselben verschlossen. so geschehen im april oder mai 1980 oder 1981. anonymen flublätter kündigten buntes treiben mit gratiseinkauf und musik nach geschäftsschluss in der altstadt an. und endlich war was los in diesem verschlafenen nest. am vormittag informierte die polizei die bedrohten besitzer der alt- und gutbürgerlichen lokalitäten über mögliche ausschreitungen und empfahl sicherheitsvorkehrungen.

in zürich stand laut presse die stadt täglich in flammen und wollte nicht gar werden, daher man ähnliche entwicklungen in kurstadt bereits vorhergesehen und für alle fälle vorsichtsmaßnahmen vorbereitet hatte.

die langen gesichter der ladenbesitzer deuteten auf schlechte geschäfte. noch war man ratlos. sicher, zürich. davon hatte man gehört. sind ja alles junge, dynamische, anzügliche männer mit kravatte und frauen am alphorn. also mit zürich, das war schon klar. aber dann do wieder: was weiß man denn eigentlich von der schweiz?. diese arroganten millionäre haben viel dreck am stecken. nazigeld, stalingeld, marcosgeld und wie es sich später, also nach dem schreiben dieser zeilen, noch herausstellen sollte, alles geld aller diktatoren und diktatorinnen überhaupt und ausnahmslos.

gegen mittag rief dann die polizei nochmals sehr leise die altstädtischen geschäfte an und schlug vor, die auslagen nach sechs uhr zu verbarrikadieren, um den eventuell durch die luft und die fußgängerzone fliegenden flaschen und anderem modernen terroristenwerkzeug als hindernis entgegenzuwirken. die gesichter wurden wieder länger, und fladiges magenbitter aus angst vor nie erlebten revolutionen machte sich bemerkbar.

die lage war also ernst. so ernst, dass man dererlei empfehlungen seitens der öffentlichen sicherheitsorgane abgeben musste. ein paar liefen nach hause und probierten im keller die nagelneue pistole aus. ansonsten verlief alles ruhig. die kunden kauften wie üblich. eigige, die von der nahenden gefahr erfahren hatten, versorgten sich, vorausblickend, für einen ganzen monat mit zucker, haltbarmich, toastbrot und anderem katastrofenessen. wer weiß? vielleicht ist morgen alles hin, und wir müssen wieder anstehen beim bäcker. schaden würds ja nicht, wenn sie dem seine bude wieder einmal gründlich aufräumen würden, dem saujud, dem verfluchten. aber geschehen ist geschehen. wir haben vergessen, sind nicht nachtragend. und schließlich ist es uns gelungen, diese unsere gesellschaft gemeinsam wieder aufzubauen.

an der uni lächelten sich die studenten ins fäustchen und rätselten, wer wohl hinter dieser echt guten aktion stehen könnte. die universitären studentinnen geizten nicht mit knospigen t-shirts an diesen lauen tagen und das männliche geschlecht baumelte seine seele dazu.

 

während des stadtrundgangs mag der beschauer auch daran denken, dass dieselben straßen und wege, die er nun beschreitet, im verlaufe der letzten 800 jahre bedeutendste und berühmteste persönlichkeiten verschiedenster prägung betreten haben, wie z.b. die meisten deutsche kaiser und eine unmenge von fürstlichkeiten aller möglichen länder.

kurstädter geschichte und sehenswürdigkeiten. ein stadtrundgang von dr. karl raubedschal. o.j. und o.o. s. 118.

 

1765. in der trauer um ihren gemahl gibt die kaiserin den befehl, die siegespforte zu einem festen denkmal umzugestalten. die gipsbilder werden abgenommen, marmorfiguren von den hand des kurstädter bildhauers balthasar lolm treten an ihre stelle. darstellungen und inschriften an der südseite erinnern an die hochzeitsfeier, auf der nordseite wird des todes des kaisers gedacht. so ist die siegespforte am eingang der stadt ein sinnbild des daseins. wer sie durchschreitet, tritt aus dem fest des lebens, tritt aus dem fest des lebens in das reich des todes.

 

ein guter freund von mir hat dies geschrieben, wodurch ich mich genötigt fühlte, seiner beschreibung zu folgen und durch jene schöne pforte den kühnen schritt zu tun. neben dem monument steht ein neuzeitliches hotel (inzwischen auch mit anonymen tagesclub), symbol der hohen zeit, des neuen glaubens. davor träumten wir noch vom onkel aus amerika und konnten uns das leben dort drüben nicht vorstellen, mit all der technik und den luxus und den armen leuten.

 

da steh ich nun an der südseite, denke an meine mediterrane vergangenheit und werd gleich wieder süßlich. auf dieser seite also ist das leben, und ich streng mich an es zu fühlen und träume vom meer und don der ersten liebschaft am strand. und der lago di garda, riccione und brunico. ja, heimatland, du bist schon leben, und erfüllt mit dantes erbe tu ich den großen schritt durch eines der seitenportale, vor dem großen fürchtet mir, das kann ich später immer noch, wer weiß, ob es sich lohnt.

wer sie durchschreitet, tritt aus dem fest des lebens, tritt aus dem fest des lebens in das reich des todes.

genau, das wars. pfui teufel. plötzlich stand ich wieder mitten in der stadt, die nicht einmal stinkende fabriken hat, über die zu lästern wäre. nur diesen ewig warmen wind fürs kopfweh und für andere auch. alles schön geputzt, poliert und sauber. sicher, das ist das reich des todes, nie hab ich mich meinem freund so verbunden gefühlt wie in diesem augenblick.

 

kommst du von süden her, wanderer, meide die versuchung jenes blechernen daches, du müsstest deine seele lassen. und den beutel. und gebrochen weiterziehen. flieh ostwärts hin zum anderen berg, irgendwann werden die schroffen felswände freundlicher. leichenblass steh ich an der nordseite. kurstadt ich muss dich lassen, allzu neigierig bin ich gewesen und ich hab mich hier verloren.

 

die geschätzten zwei- bis dreitausend sicherheitsbeamten mieden das durchschreiten der siegespforte, sie kamen still und unauffällig, kümmerten sich wenig um kaiser und könige, die da ihre füße einmal hingesetzt hatten, und nur sehr aufmerksamen beobachtern musste auffallen, dass innerhalb der alten burg und in der nahen kaserne viel zu viele leute waren. auch gummibeknüppelte staatsrocker wollen einige gesehen haben.

jedenfalls lag eine gewisse spannung über der stadt, die sich sprunghaft verdichtete, als gegen 16 uhr die ersten auslagen zugenagelt wurden. da wirkte plötzlich alles bedrohlich, die geschäftsleute blickten sich vielsagend stumm in die augen und hofften auf regenwetter. gegen 17 uhr war die ganze altstadt niet- und nagelfest, die letzten lästigen kunden wurden schleunigst nach hause geschickt. das erste mal seit der übernahme des betriebens aus schwiegervaters händen verzichtete der juwelier auf die tägliche abrechnung, schloss die panzertür und sah dann dem dunkelhäutigen hilfsarbeiter beim zunageln der kleinen scheibenfront zu.

inzwischen hat eine wellenartige bewegung die straßen ergriffen. heim drängte es das biedere kaufmannsvolk, die jugend aber begann sich zu sammeln und strömte langsam und in geordneten gruppen zum hauptplatz, um die folgenden ereignisse, wissend um die historische bedeutung des augenblicks, gelassen zu erwarten. daneben wanderten einige der jüngsten grünen buben auf und ab, einer führte den hund an kurzer leine spazieren, selbstsicher gingen sie ängstlich neben der immer größer werdenden menge.

und noch eine personengruppe fiel allmählich auf. distinguierte herren, mittelständisch betucht und auch vom alter her nicht viel anders, mischten sich tropfenweise in die straßen, und wer näher hinhörte, erkannte bald den auswertigen akzent der verhasseten balkanstadt, die seit glorreichen revolutionstagen 1809 die brüder im westen tyrannisierte. in den oberen stockwerken der ehrwürdigen gemäuer zielten geheimstaatliche fernrohre und kameras, doch suchten sie vergebens nach zwielichtigem jugendvolk.

so standen wir. von allen seiten bewacht, wirkten selbst die verriegelten geschäfte bedrohlich. und wir warteten. doch von keiner menschenseele wurde an der schwangeren ordnung gerüttelt. inzwischen hatte die polizei vorsorglich alle zubringerstraßen zur altstadt gesperrt, um den bereit stehenden einsatztruppen den kurzen weg zum schauplatz autofrei zu halten.

gegen 22 uhr langweilten sich die ersten schon, und nach einer weiteren halben stunde gingen wir alle, zuschauer und sicherheitsbeamte, enttäuscht nach hause. hinter den vorhängen in den ersten stöcken wurden fotoapparate und filmkameras wieder abgebaut. die gut betuchten herren mit strengem haarschnitt und auswärtigem akzent gingen ihres weges, die geschäfte aber blieben noch bis zum nächsten morgen kurz vor ladenöffnung zugenagelt, dann waren die ersten kurstädter jugendunruhen zu ende.

 

aus der chronik von kurstadt:

17. märz 1848. auf das gerücht, dass die studenten den jesuiten die fenster einwerfen wollen, werden die wachtposten verdoppelt und die patroullien verstärkt. die professoren forderten die studenten auf, im bärenhaus zusammenzukommen, woselbst begeisterte reden abgehalten und toasts ausgebracht werden.

 

als im lande noch wasser war, und ein reges leben in den meerestälern herrschte, tieb sich unsere krake mit ihresgleichen in den blauen fluten herum und wurde umworben von allen schönsten und reichsten krakenprinzen. angesichts ihrer jugend und ihrer ausgelassenheit nahm sie keinen der bewerber so richtig ernst, ließ sich bekosen und verführen, sah freudig den männlichen artgenossen bei eifersüchtigen kämpfen zu und hielt sich so lange zeit in unbeschwerter art und weise ungebunden und lebenslustig.

nacheinander jedoch vermählten sich die freunde in der umgebung, die weibchen hielten wohlwissend ihre männer von ihr fern, während die vielen ehemaligen liebhaber die schmach der unerwiderten liebe nicht vergessen wollten und mit häme beobachteten, wie allmählich das so begehrte weib sich ob ihrer einsamkeit zu ängstigen begann.

die große dürre brach über die erde herein und das krakengeschlecht suchte zuflucht in den übrig gebliebenen gewässern. nur eine blieb zurück aus trotz und tödlicher sehnsucht, setzte sich ab in der bekannten umgebung und wartete verdrossen, bis das wasser sich senkte, und sie langsam verdorrte und vom abgelegten schwemmgut einen mantel aus stein und gras über ihre gewaltigen muskeln gezogen bekam. seither ist sie stille betrachterin dessen, was unten im tal passiert, lächelt lieblich über den eifer der menschen und denkt oft an ihre prinzen und deren hoffnungslose liebe. einmal will sie noch beweisen, dass diese ihre einsiedelei nur von ihrem willen abhängig ist, einmal will sie noch die aufmerksamkeit der umwelt am körper spüren und freudig erzittern dabei. die zeichen scheinen ihr günstig, jetzt.

 

bei schönem wetter ists in der stadt auszuhalten. doch der sommer ist kurz und im frühjahr bläst der föhn die letzten säfte aus den leibern und stacheln in den kopf. der herbst und der winter sind dem land die angemesseneren jahreszeiten. kaum einmal, dass es heiße sommernächte gibt, für alle liebesabenteuer in der natur sind decken ratsam, meist unentbehrlich.

 

an den nordhängen des tales stehen bis zum todesturm hinauf schöne villen. kaum einmal jene protzigen gebäude bundesdeutschen bierbrauchtums mit geschmacklosem luxus. nein, meist sehr vorsichtig der landschaft angepasste architektur. das bedürfnis aufzufallen ist ein geringes, es genügt die sicherheit der anerkennung im kleinen raum. auch kunst und wissenschaft sind bescheiden. viel lieber verstricken sich alle in tausend wirrnisse von intrigen, missverständnissen und vorwürfen, bis die ganze komplizierte und arbeitsaufwendige konstruktion wie eine seifenblase zerplatzt. liebe fürs detail wird groß geschrieben, so muss an wichtigerem nie gerüttelt werden. die politiker leisten gute arbeit, geschickt gehen sie vor, wenn sie heikle themen behandeln müssen. zunächst wird versucht, den gegener auszuschalten, mit allen im demokratischen system zur verfügung stehenden rechten und linken mitteln. sollte diese methode fehl schlagen, zeigt man sich liberal und subventioniert großzügig, wodurch dem feind dann biss und fantasie genommen werden.

wenns wetter schön wäre, könnte man in dieser stadt auch ganz gut leben, so aber sind die pensionisten grantig, arrogant meist die beamten und voll der weisheit universitäres eitelgemensch. vor langer zeit kam der frieden herein geschlichen und liegt nun erschlafft an den trüben ufern des grünen flusses.

der berg, fast vom ganzen schnee befreit, lässt die säfte grünen, beeilen muss er sich, fast juni ists schon, bald steht der winter vor der tür. liebespärchen gehen an warmen abenden in die lislschlucht, das rauschende wasser ist anregend und kein heißer atem dringt an unerwünschte ohren.

große, unvermutet laute flugzeuge stürzen sich auch bei bedecktem himmel mutig ins tal hinunter und bringen einen hauch der großen, weiten welt.

 

wenn die sonne am höchsten steht, fallen die schtten ganz kurz, und mir ist mein schatten lieb und teuer und unerträglich die dicke luft an sommermittagen. der hofpark mitten in der stadt wird schon um 1410 von einem berühmten herzog angelegt, und heute muss jeder kurstädter besucher ihn betreten haben und sich wohl darin fühlen. großräumig sind die schönen anlagen mit wiesen und alten bäumen, ein weiher auch und schachspiel und gasthaus mit musikpavillon. für lümmelnde gammler und jugendlichem hang fürs grüne ist eigens eine wiese bereit gestellt worden, zur hochsaison wirds dort ziemlich eng, doch unerbittlich ist der wärter und lässt kein kind noch hund, auch sandler nicht und vagabunden, ins andere kurz geschnittene gras. eichhörnchen gibts und futter dafür am eingang zu kaufen, ältere bewohner der stadt kennen sie alle mit namen und wandern täglich zur ausspeisung der tiere. tauben werden grundsätzlich verachtet und fort gejagt, wenn sie den scheuen meisen ein paar körner stehlen wollen. wenige nur haben mitleid mit ihnen und suchen einen abgelegenen ort, von bösen blicken ungestört, wo das gurrende federvieh, auch seine ration bekommt.

die eichhörnchen aber fressen pignoli aus der hand, und oft wechseln die fütternden böse blicke, wenn fremde in ihr revier eindringen und ihren lieblingen das falsche fressen geben. das wasser im park wirkt sauber und gepflegt. wir haben einmal unseren goldfisch hinein geschmissen, weil er zuhause regelmäßig die badewanne verdreckt hatte und der urlaub vor der tür stand. niemals mehr ist er uns wieder begegnet und wird wohl schon bald in dieser neuen umgebung verreckt sein. ungewohnt die frische luft, nicht mehr die faszinierende exotik aus kaltem zigarettenrauch und leeren weinflaschen. dem kleinen fisch hat das gesunde wasser den tod gebracht. doch welch ein grab! ringsum ist alles adelig belastet, ein fürstliches begräbnis haben wir ihm gegeben, am grunde des weihers wird er sich längst schon aufgelöst haben und ewig seinen geist an jenem orte schwimmen lassen.

 

in der weltbekannten kirche war ich noch nie. dort sollen gusseiserne mander und weiber, 28 an der zahl, ehrfurcht einflößen. hab kein bedürfnis diesen grauen kult zu erleben. die reste des kaisers jedoch sind in wahrheit in der hauptstadt, nur das grabmal ist hier. so kommt man zu doppelten ehren. dafür hat man den freiheitskämpfer aus dem süden in diese kalte kälte geholt. der aussichtslose kampf wird auch heute noch als ehrenvoller angesehen, als klare, eindeutige siege. und selbst im todeskampf sein herz war aufrecht noch.

 

aus der arbeit meines freundes:

enger schließt die stadt die menschen zusammen zwischen wiege und grab. im flackernden licht der kerzen kreist der becher, in dem der wein  dunkel wie blut funkelt.

 

wenn nachtens sich die gitter schließen für das farbige publikum aus aller welt, wenn auch der wächter, müd von diesem mief, zu seiner frau nach hause wankt, dann regt sich etwas in den gemäuern der gruft. mander, es isch zeit! ruft der freiheitsheld lachend und haut dabei der schönheit neben ihm die rippen durcheinander. die knochenpaare suchen sich und klappern kalt und sorglos, bis all die gerippe sich gefunden haben und zu der wöchentlichen sitzung sich bereit erklären. um das leere grab des entflohenen kaisers wird großer rat gehalten, der geist der versteinerten riesenfrau vom hochspitz hat ebenfalls mitspracherecht, sowie einige wenige, wirklich grauslige verbrecher, die die stadt in all den jahrhunderten hervor gebracht hat. auch die unterwelt ist nicht besonders aufdringlich, jeder arbeitet unauffällig und ist froh, wenn ihn dabei keiner stört.

der feurige pater aus den großen freiheitskriege steht ohne kutte da, nackt, in seinen gebleichten knochen, und verlangt nach wein und gesang, nach frauen zu begehren hatte man ihm schon lange verboten, als er nimmer damit aufhören wollte, und einige besucherinnen an seinem grab rätselhaft und arg belästigt worden sind. ein kleiner schluck vom hl. messwein wird ihm gegönnt, am morgen muss der wächter dann den roten fleck vom boden wischen, wie jede woche, schon lange wundert ihn nichts mehr. durch das gerippe rinnt das feuchte nass, und betretenes schweigen ob der profanen peinlichkeit erfüllt die hohen hallen.

bis der geist der geizhalsfrau ungeduldig wird und auf die genehmigung der tagesordnung drängt. der übliche kram, natürlich, was soll denn das ganze noch. immer wieder anträge ablehnen von irgendwelchen arroganten verstorbenen, die gleich schon helden werden wollen, nach einem jämmerlichen leben. und ärger mit dem personal, welches ehrfurchtslos und oberflächlich die alten räume täglich putzt.

diesmal aber liegt etwas neues zur diskussion auf, etwas worüber man streiten könnte und sich das schienbein um den schädel hauen. der gschtaberhügel hat sich angemeldet, nach langer, reiflicher überlegung, wie es im bewerbungsschreiben heißt, um seine erfahrung und arbeit dieser gemeinschaft anzubieten und die stadtväter zu mehr respekt und offenheit dieser ihrer geistigen gemeinschaft gegenüber zu zwingen.

"all zu lang ist diese stadt sehr achtlos mit uns umgegangen", hieß es wörtlich weiter, "ausgestellt wie affen im billigsten zoo hat man uns, als lockvögel für ihre geldbeutel werden wir benutzt, und ich und die geizhalsfrau werden wie geifernde huren von tausenden jährlich bestiegen. euch hat man hier aufgestellt in reih und glied, ungeachtet eurer charaktere. wehrlos müsst ihr zwischen nachbarn ausharren, die euch schon zu lebzeiten verhasst waren. sollte diese hochgeschätzte gemeinschaft mich als vollmitglied aufnehmen, verpflichte ich mich, ein detailliertes arbeitsprogramm zu entwickeln, wodurch wir in zukunft alle gemeinsam unsere ehre und unsere interessen würdig vertreten werden können. hochachtungsvoll" usw.

der freiheitsheld hielt den brief noch lange in der hand und spürte feuer lodern, auch die anderen waren betroffen, fühlten, dass hier endlich wieder einmal den mut gefunden hatte, das auszusprechen, worüber sie sonst nur mehr im suff reden konnten und jedesmal in streit gerieten und mit den knochen hantierten. und mühselig ist es, sich sich die schädeldecke in einer finsteren ecke zu suchen, mühselig und erniedrigend. hier wollte jemand ernst machen, die allgemeine unzufriedenheit bündeln, um sie dann der stadt als peitschenhieb ins gesicht sausen zu lassen. und es glänzten die leeren augenhöhlen, und alle blicke waren dem freiheitshelden zugewandt, der als vorsitzender die diskussion zu eröffnen hatte. doch jener schwieg, das war so seine eigenart, das wort war ihm seit jeher verdächtig. er liebte den körperlichen akt und, dies war für ihn entscheidend, den gschtaberhügel kannte er nicht, allerlei düsteres zeug wird über ihn gemunkelt, ein tintenfisch oder so etwas, ein versteinerter. da war vorsicht geboten, nur bloß nicht voreilig handeln, sich nicht von der glut der worte einfangen lassen. langsam legte er den brief auf den leeren sakrophag des kaisers und eben wollte er zu vorsicht und besonnenheit in dieser heiklen affäre aufrufen, als plötzlich, ohne um das wort zu bitten, der leicht besoffene pater laut und deutlich sagte: " viecher kemmen do koane einer. mir sein eine göttliche gemeinschaft und verstoanarte wirmer hobn nix zu suachn bei ins, weil schon der herr hat gesagt: macht euch die tiere untertan." so sprach der fromme mann und niemand konnte ihm entgegenen, das argument war nicht zu widerlegen. der held schwieg weiter, ihm war bange zumute, der pater hatte noch jedes streitgespräch gewonnen, denn, wie gesagt, die eloquenz war ein revier des himmlischen, und nur der geist der geizhalsfrau murmelte ein "saupfaff, saublöder". die übrigen merkten, dass diese sitzung enden würde wie alle anderen auch, nahmen eine stramme haltung ein und sangen mit klirrenden stimmen: "wir toten sind so tot noch nicht, wir sind das salz der erde, das blut ist schon verdorrt doch wir, verlassen unsere särge." somit war die runde aufgelöst, die gerippe wanderten diesmal ohne streit in ihre ruhestätten. die paar kindesmörder und auch sieben weiber, welche am 4. oktober 1485 zwar von der hexerei freigesprochen worden waren, ihre dunkle tätigkeit aber deshalb keineswegs aufgegeben hatten, verschwanden in den feuchten rissen der gemäuer, und der geist der geizhalsfrau schloss alle sargdeckel und urnen, stellte eine vom inzwischen richtig besoffenen pater umgeschmissene rüstung wieder auf, warf noch einen letzten blick in die kirchen, wünschte ein: "allseits, gute nacht!" und begab sich bald darauf zu seiner versteinerten herrin.

 

köpfel, reformator --- capito.

kopff, august, astronom ...

kopffüßler, kephalopoden, cephalopoda, höchststehende, durchwegs meeresbewohnende klasse der weichtiere, mit deutlich vom rumpf abgesetztem kopf, der ein paar großer, hochentwickelter augen trägt. den mund mit zwei mächtigen, einem umgekehrten papageienschnabel ähnl. kiefern und meist starker, das raubtier verratender reibzunge (radula) umgibt kranzartig eine anzahl fleischiger, sehr beweglicher arme, die, meist mit saugnäpfen besetzt, zuweilen mit haken, dem kriechen, tasten, dem ergreifen der beute usw, dienen. (...) durch die sich nach vorn öffnende mantelspalte strömt rhythmisch atemwasser ein, das nach deren verschluss durch ein fleischiges, engkalibriges rohr, den trichter, wieder ausgestoßen wierd. geschieht das kraftvoll, so schießt das tier, infolge rückstoßes, mit dem meist zugespitzten hinterende voran, blitzschnell durchs wasser, eine bewegung, die durch rasches zusammenschlagen der arme noch verstärkt werden kann. ein großer teil der kraken besitzt eine ansehnliche, durch den after ausmündende farbstoffdrüse, einen tintenbeutel, aus der sie dem angreifer mit dem atemwasser eine sich rasch wolkig verteilende schwarzbraune flüssigkeit (--- sepia) entgegenwerfen, die sie den blicken des feindes entzieht. (...) in der haut befinden sich zahlreiche bewegliche farbzellen (chromatophoren), derem sehr lebhaften spiel die k. ihren prachtvollen farbwechsel verdanken; mit seiner hilfe vermögen sie sich nicht nur ihrer umgebung in der färbung täuschend anzugleichen, sondern es spiegelt auch den jeweiligen erregungszustand des tieres wider. (...)

die geschlechter sind stets getrennt, die keimdrüse unpaar, der leitungsweg meist nur linksseitig ausgebildet. bei der begattung dient ein eigenartig umgestalteter arm (hektokotylus) des männchens der übertragung des samens auf das weibchen. dieser ist in verwickelt gebauten hülsen (samenpatronen, spermatophoren) eingeschlossen und wird erst nach der übergabe an das weibchen durch einen sinnreichen explosionsmechanismus frei. mit ihrem trefflich organisierten nervensystem, das sich im kopfe zu einem ansehnlichen, von knorpeliger schädelkapsel umschlossenen gehirn konzentriert, und mit ihren hervorragend entwickelten sinnesorganen stehen die k. psychisch verhältnismäßig hoch, alle anderen seetiere darin weit überragend.

einige arten, bes. riesenkalamare (architeuthis) erreichen gewaltige ausmaße, werden einschließlich der arme bis 17 m lang, und ihre augen stellen mit fast 40 cm durchmesser die größten bekannten sehorgane dar; auch kraken können sehr groß werden, aber wohl nie die maße erreichen, die ihnen die sage zuschreibt.

 

ein maler könnte den berg schöner zeichnen, wie müd die langen arme in das tal hängen und eine ganze stadt fest umklammern. der sommer ist über das land gefallen, und faul bewegen sich die menschen, versuchen, äußere hitze durch innere kälte aufzuheben, und mittags sind wir schon erschlafft, der graue winter ist vorüber, am nahen gletscher fahren barbusige frauen über gletscherspalten.

die südwestseite des berges, dort wo im winter ein schlepplift die vielen skistars bis zur höchsten stelle bringt, ist ab heute schneefrei.

weiter unten ziehen lange stromlinien durchs bild.

am seliberg, wo einst die schönste schlacht geschlagen wurde, und blutige franzosenleiber den ort für ewig heiligten (hinter den seliperg steat a franzos, der traut si net  z´schiaßn und scheißt in die hos. alte volksweise. holladrii, holladrio), steht jetzt die sprungschanze majestätisch ruhig als sinnbild nie erlebter höhenflüge.

die ganze stadt pilgert alljährlich einmal dort hinauf, und furchtlos schmeißen jugendliche ihr ganzes gewicht in die spur, heben ab vom schanzentisch und für augenblicke fliegen sie.

der friedhof drunter tut sein übriges, vom schanzentisch aus gut sichtbar, die sportler springen in  die gräber, und laut klappern die knochen beifall, wenn einer bei diesen flügen in den schnee muss, doch leider kommt dies nur selten vor.

jetzt aber ist alles grün und saftig, auch die stadtrundfahrten führen dort hinauf. die historische stätte, der ehemalige kampfplatz, wirkt neben diesem historischen pomp recht bescheiden, doch ein neues betonmuseum mit viel kitsch und devotionalien hilft, die erinnerungen so zu lenken, wie man sie hier gerne hat. die pfeife eines landesfürsten, das schneuztuch eines kaisers.

der holunder blüht, wenn nur die krake frisch luft durch ihre näpfe in die heißen mauern blasen würde - ein schöner sommer könnt es werden. vergänglichkeit scheint heute nichts zu sein, ein paat fuftballone könnten fliegen, der fluss auch sollte unsere hitze kühlen. manche frauen sind ein wahnsinn und lüften alle geheimnisse ohne sie zu enthüllen. die ersten sonnverbrannten schälen sich bereits, geruch von schweiß und bodylotion auch, insekten haben wieder ihren kampf begonnen und trotzen auch in diesem jahr den sprays und steckdosen.

wohin die ganzen gefühle im traurigen herbst geflossen sind? die schwangeren frauen lassen vieles vermuten, die bierbesoffenen sandler feiern das erste sommerfest. jetzt lässt sichs wieder gut schlafen auf den bänken. liebesdienerinnen sind auch froh, der winter ist abgestanden, die wärme ist ihrer arbeit angemessener. alles fließt und doch bewegt sich nichts. fällt ein laib einmal vom baum, flattern aufgeregt die spatzen. die stadt ist ruhig noch. die berge sind zu kühl und freuen sich der hitze wegen. bevor die atmosphäre zu heiß und aufgeregt wird, beruhigen im herbst fallende blätter die gemüter. und die schneeflocken schläfern sie dann ein. so ruhige ruhe ists, dass jeder menschenlärm vermieden wird, nur maschinen dröhnen unentwegt das ganze jahr.

der traum vom traumurlaub wird wieder stärker, egal wohin, nur sonne, wasser, wenig leute, türkei oder portugal, das ist kein problem. preisfragen eher. oder die tücken der linkischen südländer. kontakt mit der bevölkerung wird gesucht, falls diese deutsch oder englisch kann. die erotik bleibt sich gleich, touristen ziehen bereits durch die alten gassen und freudig verkauf die einheimischen souveniers made in china.

 

zufällig ein frohnleichnahmsfest miterlebt. ganz unschuldig wollt ich am morgen in die stadt, um nach einsamer nacht einige frauen zu sehen. und fand mich plötzlich inmitten des riesigen umzugs. auf der norseite eines viaduktbogens stand ich, und für gut eine halbe stunde lang kamen aus dem schwarzen loch alle nur denkbaren uniformen. langsam, im behäbigen gleichschritt bewegte sich der endlose zug zum theaterplatz. vor dem eingang des großen hauses nehmen verschiedene gruppen ihre eingeplanten stellungen ein, auch einen altar mit mikro hat man aufgestellt, ein schönes bühnenbild.

eine betrachtete musikkapelle an der spitze spielte andächtig laut, und dahinter schießende trachtengruppen, prächtig in der kleidung und im alter. da marschierten sie alle vorbei, die bärtigen, die verwurzelten, zwischendurch ein "servus!" einem bekannten am straßenrand zumurmelnd, die hl. fahnen waren nicht besonders groß.

immer wieder einige geistliche, einer scherte aus, zog sich das messkleid übers haupt und verschwand in der kühle einer kirche. die geschlechter gingen getrennt des weges, die frauen voran, zwei vorbeterinnen, welche die monotonen litaneien eindrucksvoll herunterleierten, dahinter katholische jugendgruppen mit fahnen und wimpeln. und dann der herr bischof mit dem güldenen himmel versteckte sich hinter der monstranz und blinzelte zwischen den blechernen strahlen listig seinen lämmern zu. nun selbst die wissenschaft von der universität, mit rektor und seinen obersten untertanen, schwarzem rhombushut am haupt. und über die feisten wampen graugoldiges tuch.

dahinter die studentenverbindungen, zunächst die schlagenden mit schaftstiefeln und säbeln und vielem anderen noch, dahinter die friedfertigen, mit einem kappl auf der glatze. und die männer dann und das rote kreuz, die prominenz hab ich versäumt.

ein lied wird angestimmt, "ehre sei gott in der höhe". ja. da oben sei ihm schon ehr. herunten sind wir uns schon selbst genug. die schießenden trachtengruppen tragen noch alte stutzen und dürfen damit auch ehrensalven abgeben.

der zug schlängelt in letzten kurven über den platz bis er zum stillstand kommt. der himmel vom bischof hat rechts neben dem altar einen würdigen parkplatz gefunden.

nie hab ich verstanden, warum bei hochämtern das evangelium in so eintönig halbhoher eunuchentonlage vorgetragen wird. "erhebet die herzen". "wir haben sie beim herrn". so was. leider können wir sie nicht erheben, lieber herr bischof, die herzen. wir haben sie beim herrn geparkt.  doch sieht der oberhirte stumm über den unliebsamen vorfall hinweg. wortlos wird geld gesammelt, offenbar wissen alle wofür. und der aufkommende wind wirbelt die federn der trachtenhüte durcheinander. die lieder werden eifrig mitgesungen, schöne frauenstimmen voller inbrunst.

zur kommunion werden zehn priester aufgestellt, den leib christi zu verteilen, die schießenden trachtentruppen dürfen leider nicht daran teilnehmen, sie müssen die stellung halten. eine erste-hilfe-station gibt es auch, falls jemandem schlecht wird dabei. die touristen wissen nicht so recht, ob das fest, wie alles andere auch, für sie gedacht ist, und verhalten sich abwartend andächtig.

"lasset uns beten". aber bitte, nur keine umstände meinetwegen. "herr erbarme dich unser" und christus auch, 5 oder 6 mal wieder halbtönig gesungen. der bischof hält zum schluss die monstranz hoch in den himmel, und die trachtentruppe mit den gewehren schießt endlich unseren herrn symbolisch in der luft zu tode. tontaubenschießen. die menge verneigt sich ehrfürchtig, alle glocken der stadt beginnen zu läuten, ein schwarzer sieht lächelnd zu.

die mannschaft zieht jetzt zu einem anderen platz, ich hinterher, am dom vorbei, auch da drinnen haben alle die herzen beim herrn, es war deutlich zu hören. vor dem dom erklingt eine hymne, und der ganze platz steht steif, der landeschef und der bischof schreiten miteinander vor der  ehrengarde auf und ab. die symbolischen mörder unseres herrn sind auch wieder da und die musik. bald wirds wieder knallen, hier im engen hof muss es ganz schön laut werden - gewaltig wars, das volk unterhielt sich gut dabei und hat sich die ohren zugehalten, nur der bischof und sein freund durften nicht, der würde wegen, und blickten unbeteiligt.

"religio, patria scientia, amicitia" hat eine verbindung in ihre standarte geschrieben, und die touristen dürfen endlich den dom besichtigen.

lang ists her, seit ich bei einem solchen fest dabei gewesen bin, als chormitglied eines ordens meiner heimatstadt, mit heller, ungebrochener stimme.

jetzt, wo es wieder ruhig auf dem domplatz geworden ist, wird in einer umliegenden wohnung das radio aufgedreht, modische musik verdrängt sakrale würde. wie ein in ruhendes wasser geworfener stein wirkte alles, eben klingen die letzten wellen aus. Das gewitter ist vorbei, doch ich kann mich noch nicht so recht der neuen, frischen luft erfreuen.

 

"sie hatten nicht viel und bedurften auch wenig. sparsamkeit und zufriedenheit ersetzten, was an wohlstand und behaglichkeit fehlte." ferdinand rentner: Denkwürdigkeiten aus (...) befreiungskämpfen. das jahr 1797. kurstadt 1900. s. 102.

so beschreibt ein längst verstorbener chronist eine bauernfamilie aus dem 18. jahrhundert. dass die tochter unter solchen umständen eine feurige terroristin wurde und während eines großen freiheitskampfes haufenweise franzosen mit der mistgabel aufspießte, ist daher nicht verwunderlich, ebensowenig wie die tatsache, dass sie als "heldenjungfrau von segnitz" in die analen (wehe, lektor/in!) eingegangen ist.

beim kämpfen war kein feind zu groß, und niederlagen wurden zu siegen deklariert. jedermal wenn das böse über das land hereingebrochen ist, gewährte uns der herr und die jungfreu mit all den heiligen hilfe für den gerechten sieg. bösewichte, so richtige sauhunde, hat es auf unserer seite nie gegeben.

 

gottesfürchtig ist das land und heiß heute die luft und blau. warm ists der krake und dunkelblaue tinte fließt vom berg in das tal. nun streckt sie alle ihre arme lüstern gegen den himmel und spritzt und stößt mit aller kraft den letzten tropfen farbe aus den drüsen.

dunkler regen geht auf die stadt nieder, schwarz fast färbt sich das bild, kein grün mehr, kein betongrau, nur schönes, tiefes blau und etwas heller der himmel. erscheckt laufen die menschen aus den häusern und autos fallen in die knie und flehen um erbarmen. der bischof verheißt frieden und ruhe durch innigstes gebet und spenden für ein neues kreuz.

eine schöne farbe, feiner regen fällt tagelang auf die straßen, die medien berichten davon in aller welt. die kinder aber freuen sich, ihre logik hat vie platz für außergewöhnliches, scharfsinnig werfen sie den verstörten eltern die erziehung zurück und trösten sie mit der feststellung, dass der liebe gott ja schon einmal habe milch und honig vom himmel fallen lassen, um sein auserwähltes volk zu erfreuen, jetzt ists halt tinte. vielleicht sollte man ihm schreiben.

schamlose jugend begibt sich nackt auf die straße und windet sich lüstern in den farbigen pfützen, manche paaren sich zu mehereren. das vogelvieh betrachtet sich unglaubwürdig, auch die städtischen hunde und hündchen laufen mit eingezogenem schwanz und triefendem fell den herrchen und weibchen nach. einige haben ein mäntelchen umgeschnürt bekommen, doch schwanz und kopf und pfoten werden blau, tagelang bleibt die außenwelt verfärbt.

in den gebäuden aber achten hausfrauen und amtsdiener mehr denn je auf reinlichkeit. die mütter müssen schimpfen, wenn mittags alle zum essen kommen. natürlich müssen zuerst alle über ausgelegte zeitungen auf dem gang direkt unter die dusche. aber in der eile und des hungers wegen, nimmt das niemand so genau, und dann ist die tischdecke bald blau und der teppichboden, die kämme auch vom spröden haar, und mutter weint und ihre kleine, saubere welt ist auf ewig verloren.

in den öffentlichen gebäuden ists ähnlich, provisorische duschen an jeder ecke, und niedrige beamte samt putzfrauen/raumpflegerinnen. die geschäftsleute haben ein besseres system entwickelt: sie stellen sich an den eingang ihrer lokals und verkaufen den auf der straße stehenden kunden die heiße ware. so halten sich die schäden in grenzen.

 

im märz des jahres 1797 muss es lustig gewesen sein in der stadt. irgendein mächtiger hat zum kampf gegen die vom süden eindringenden franzosen aufgerufen.

"draußen in den landstädten und gerichten hatte der aufruf eine zündende wirkung. massenhaft zog das volk, jung und alt, männer und weiber, insgesamt vom feuereifer beseelt, den feind aus dem lande zu jagen. die bauern griffen gleich bei ihrem ersten auftreten scharf in die handlung ein, wollten ausgerüstet werden, und als die munitions- und proviant comissäre verzügliche antwort gaben, und der stürmischen menge bedeuteten, erst müssten die verantwortlichen anführer gewählt werden, rannten die bauern die thore des zeughauses nächst der brücke ein und schleppten kriegswerkzeuge aller art, darunter für sie ganz unbrauchbare und historisch denkwürdige, fort. man läutet die sturmglocken: die landstürmer feuern in den straßen blinde und wohl auch scharfe schüsse ab, dringen in die häuser wohlhabender bürger, werfen unter dem gejohl des pöbels betten und tischzeug aus dem fenster. die leute sind wie toll, sprechen von nichts, als von der treue für den kaiser und von drohungen gegen die herrn, wenn sie nicht mit ins feld zögen." ferdinand rentner, op. cit. s. 60f.

es galng dann aber doch, wie immer, das volk zu beruhigen, und begeistert marschierte das land den arroganten franzosen entgegen, freilich zunächst ohne munition, von der erst am dritten tage einiges aufgetrieben werden konnte. ansonsten verlief der feldzug dann siegreich.

aber wie das wohl schön gewesen sein muss. in der hauptstadt die bauern mit der mistgabel auf den balkonen schaufelten den luxuriösen pomp der feinen bürger durch die luft. es fiel allerlei zerbrechliches entzwei, ein wunderschöner nachttopf aus feinstem porzellan zerschellte samt großem und kleinem inhalt unter dem gelächter des pöbels. selbst kinder mussten solche szenen miterleben, und für kurze zeit brach wollust und ausgelassenheit auf die erhitzten körper nieder, der heldenmut flammte auf, einige frauen gaben sich öffentlich mehreren bald abziehenden soldaten hin, um so ihren beitrag an patriotismus zu bekunden, bis endlich dann die obrigkeit doch wieder für ruhe und ordnung sorgen konnte und die tatendurstigen männer so bald als möglich zum kampfplatz schickte.

gröhlend rannten die bauern in den süden, und am 6. mai zieht die ganze truppe unter freudigem jubel der bevölkerung wieder in kurstadt ein. längst sind die kleinen plünderungen vor der abreise vergessen, ein neuer nachttopf aus meißen ist auch schon eingetroffen.

 

die klinik ist das beste stück der wissenschaft, einer der besseren ärzte war auch öfters beim menschenfressenden bokassa, oder wars amin? ich weiß nicht mehr genau. gesundheit jedenfalls ist auch hier ein teures gut und lässt sich skrupellos bezahlen.

der medizinstudenten sind zu viele, vor allem deshalb, weil die meisten noch vom aufstieg träumen, vom sozialen. der spitalische alltag will nicht gesehen werden. die geifernden oberärzte, die den krankenschwestern unter die röcke greifen während der operation, ein großer puff ist das, wo manch ein patient unter stöhnen sein leben lassen musste.

frauenärzte sind nur ärzte. frauen werden keine zugelassen. wo käme man hin, wenn diese kitzekleinen freuden sich emanzipierten?

heute nacht gibts eine party mit filmchen und püppchen im kreissaal, nachtschwestern mit kleinem popo, auch bier in mengen und schärferes auch. bei solchen festen trifft sich nur mediokeres ärztetum, die obersten haben nur privatpatientinnen.

einmal war einer drinnen auf der psychiatrie, der hatte nur ein ganz leichtes zittern rechts an der zunge, er kam eigens von weit her, um dieses kleine missgeschick beheben zu lassen. nach 6 monaten war er noch immer nicht herausen, hinkte inzwischen, wurde punktiert und allerlei mehr noch, stotterte auch ordentlich, ein interessanter fall ist das gewesen.

im winter gehts im gipssaal zu wie beim metzger, kräftige burschen kneten und schneiden in weißen schürzen und mit eindeutugen witzen, wenns wieder einmal ein weiblein ist, das sich, in fahrt gekommen, was gebrochen hat.

der ganze sanitätsdienst ist ein dienst an die pharmaindustrie, wie überall anders auch, das gehört eben alles zu forschung. die leichen für die sezierkurse der studiosi sind rar geworden, um einen schönen kopf wird schon hin und wieder gestritten. wer lässt sich denn schon gern sezieren von unkundigen händen, bis ins kleinste detail zerlegen? und dann werfen die lümmel alles in einen topf, und einmal im jahr gibts massenbegräbnis, gratis. obdachlose gibts zu wenige, alkoholiker, namenlose, ausgestoßene und unbekannte selbstmörder auch, nur viel zu viel studenten. mit schönen plastikpuppen wills auch niemand probieren, da fehlt ja der realitätsbezug. später dann aber setzen sie voller begeisterung alles mögliche aus plastik ein, auch busen zum aufblasen solls geben und gummerne hoden.

 

gebirgsidylle.

im see auf dem hochplateau über der stadt suchen viele menschen abkühlung. ich hab gelernt die mengen am wasser zu lieben, der frühere traum des einsamen strandes ist mir zuwider inzwischen, allein sind wir das ganze jahr über in unseren wänden. ölig riechts, das einzige, was ich als störend empfinde, ansonsten manche frau mit nacktem busen und zugeknöpft die anderen. wir männer haben wohl jede erotik verloren im laufe der jahre.

wenn im herbst die nebelschwaden über den see ziehen - da war ich noch nie dabei, die poesie verschlaf ich regelmäßig. das wasser liegt dicht unterm berg, ihre arme erfreuen sich nachts, wenn kein schwimmer mehr die oberfläche zerreißt, im feuchten boden.

 

 

 

weit vom ort der geschichte lasse ich mich von südlicher wärme betäuben und esse genüsslich allerlei meeresgetier. gestern haben wir einen tintenfisch zerstückelt und dann, mit knoblauch und petersilie gewürzt, als salat angerichtet. eine kleine krake. der bezug zum berg war wieder hergestellt.

aus der kühle und der schlechten luft von kurstadt in dieses nest geflüchtet, um für einige zeit unbekümmert zu verblöden. am strand liegen, das kleine leben der vielen unbekannten muscheln und krabben und fische fasziniert betrachten. stifter hätte unzählige tausendseitige romane daraus machen können, in der meinung, das geheimnis der welt endlich gefunden zu haben. und in der tat sind solche gedanken immer verführerisch, problemlos.

 

der glaube an eine gute, gesunde, ja fast christliche ordnung in der natur, die umsetzung des ganzen auf unser leben, stark und schwach, arm und reich, mann und frau, all diese tristen gegensätze bekommen einen sinn und ihre berechtigung, die revolution wird zur auflehnung wider diese einheit und ist daher prinzipiell ungerecht und zum scheitern verurteilt. verständlich ist sie schon, aber unnütz. besser an göttliches, alt-griechisches, abendländisches zu glauben, unsere werte erhalten, unsere geschichte, die philosophie, das auto, frau und kinder, haus mit garten, samstag-sonntag frei, keine russen, arbeitsplatzsicherung, renten und soziales.

stifter, stifter, wieviel unheil hast du gestiftet mit deiner großen welt der kleinen dinge. das sanfte gesetz der ausbeutung ist wahrheit geworden, kannst dich freuen. die frauen gebären auch wieder mehr in den frust hinein - wenn die stellen weniger werden. wir männer aber, das sind familienoberhäupter, geplagte wesen, die mit schweiß und fleiß tüchtig helfen, die ärmsten der armen in aller welt vor hunger krepieren zu lassen.

 

mein armes krakentier, bist ohne mich zuhaus geblieben, lauf nicht fort, ich denke oft an dich, bleib noch, bis ich wieder daheim bin. ich möchte deinen abgang all zu gerne mitansehen.

 

von meinem fenster aus liegen dorf und meer wie auf einer postkarte. die terrassenförmig angelegten kleinen felder ziehen sich weit bis über die letzten häuser hinauf und reichen bis zu steil abfallenden felsküste.

viel zu viel arbeit mag hinter diesen mühsam errichteten felsmauern liegen, aber die felder tragen nicht mehr. ein paar olivenbäume oder tomatenstauden. dennoch: sie sind schön. schön für mein touristisches auge, schöner noch wär es, wenn ein alter bauer sich plagen würde in der hitze. und ein muli auch.

doch nichts davon, faule kanacken, vor 10 uhr kein geschäft offen im dorf, und nachts sitzen sie dann in den zwei bars und saufen. so werden die äcker nicht reifen. armut habe ich im dorf keine gesehen, im gegenteil. die häuser, jene in die man hinein sieht, sind geschmackvoll eingerichtet, die straßen sauber. am späteren morgen kamen drei fischer, um ihre beute zu verkaufen. auf alten fetzen, auf der straße ausgebreitet, lagen fische aller art, wurden von alten weibern geschickt mit beißzangen gehäutet, und die wenigen hausfrauen wechselten inzwischen die neuigkeiten.

viel mehr als 200 touristen gibt es hier nicht, meist älterlichen geblüts. engländer, franzosen, einige deutsche, die wohl den falschen küstenstreifen gewählt haben, da ihre landsmänner und -frauen östlich der hauptstadt fabriksweise zu finden sind.

 

in das mittelmeer hat es ihn verschlagen, ihn und seine freundin. zwei monate wollten sie bleiben um einmal das zu tun, wovon man das ganze leben nur zu träumen wagt.

eigentlich konnten sie sich diesen urlaub, um den sie alle freunde und bekannten mehr oder weniger offen beneideten, gar nicht leisten. verwöhnte bürgerkinder, argwöhnten einige, womit sie natürlich recht hatten, doch kümmerte dies das glückliche paar recht wenig, da es nach ungefähr einer woche einen erträglichen und befriedigenden arbeitsrhythmus gefunden hatte. er sollte irgendwelche linguistischen forschungen über seine heimat abschließen, sie ihre finale abschlussarbeit, und darüber freuten sich beide. denn zu gut hatten sie nich die grinsenden fratzen derer in erinnerung, die ihre eigene unfähigkeit, im urlaub regelmäßig zu arbeiten, unverhohlen auf ulrich und diotima übertrugen. im haus eines amerikanischen arztes, der schon seit 15 jahren in dem dorf lebte und als echter self-made-man noch immer vom ersparten seiner kurzen, aber ertragreichen tätigkeit als frauenarzt zehrte, hier hat ulrich von seinem arbeitstisch aus einen wunderbaren blick auf die wenigen häuser des dorfes und auf die, den fein ausgearbeiteten holzmodellen eines architekturbüros ähnelnde, von fleißiger menschenhand sachkundig gestaltete kleinterassenlandschaft.

 

das war spanien, so hatte der frühe dali einige bilder gemalt. die sauberen weißen wände des zimmers und die dunklen fenster rahmten ein stück erde ein. solche stimmungen waren heilsam für den fertigen germanisten, sie gaben ihm die ruhe und das selbstvertrauen wieder, die er in der hektik der langeweile während des studiums verloren hatte. was machst du jetzt? hast du schon einen job? wie soll denn das weiter gehen? diese fragen, wenn auch nicht immer so offen gestellt, doch deutlich spürbar in den eindringlichen blicken der bekannten, der verwandten, diese augenblicke fürchtete er und konnte daraufhin tagelang wieder ins grübeln versinken, luftschlösser bauen, um seinen wunsch, vielleicht doch noch einmal als großer autor durchzustarten, zumindest im kopf zu verwirklichen. er wusste zu gut, wie naiv diese wunschvorstellungen waren, wusste auch, dass seine schriftstellerei bisher wenig erfolg gebracht hatte, vertröstete sich jedoch immer wieder damit, dass er bisher ja eigentlich noch nie etwas richtiges produziert habe, und, dies schien ihm wesentlich zu sein: das wenige hatte er noch immer, wenn er lust dazu hatte, in einer zeitschrift, einer kleinen freilich, untergebracht. mit einem beitrag für den heimischen rundfunk war er sogar zu, für seine verhältnisse,  unerwartet viel geld gekommen. sein weg zum erfolg schien ihm daher von äußeren umständen behindert und mit steinen belegt und war keine folge seiner unzureichenden fähigkeiten.

 

das letzte jahr vor dem urlaub hatte ulrich auf kosten diotimas gelebt, eine situation, welche vor allem durch ihr taktvolles verhalten, ihm niemals zur last geworden ist. im gegenteil. er fühlte sich wohl und malte seine finnazielle abhängigkeit von diotima vor freunden gelegentlich mit stolzer übertreibung aus, lobte sich selbst als gewissenhaften hausmann, der seiner freundin die höschen wäscht, kocht, staubsaugt und eben alles kann und macht, was eine hausfrau machen und können soll. dass diotima ihm dabei fleißig mithalf, erwähnte er nicht immer, schließlich schien es ihm doch schon eine bemerkenswerte leistung zu sein, als mann einen ganzen haushalt zu organisieren, freiwillig.

 

freilich, hin und wieder verloren sich seine wünsche in den geldtaschen anderer, und etwas weltschmerzliches berührte ihn unangenehm, wenn er sich vorstellte, als tischler oder maurer einen handfesten beruf haben zu können, der in diesen zeiten noch dazu einen nicht unbedeutenden wohlstand mit sich brachte. doch solche stimmungen konnte ulrich schnell verdrängen: wenn ihm nicht danach war sie auszuleben, konnte er fast mühelos sich anderen dingen zuwenden, welche trauriges und bedrückendes bald verscheuchten. in diesem dorf also wollte er vor allem etwas schreiben, etwas literarisches. er hatte sich das vorgenommen und war ziemlich vom gelingen dieses vorhabens überzeugt, vor allem jetzt, da es ihm gelungen ist, diesen schon bald langweilig werdenden ich-erzähler durch einen der handlung etwas übergeordneten kommentator zu ersetzen, der ulrich zwingt, seine bereits oft durchdachten und ob ihrer gültigkeit überprüften aussagen, gewissermaßen von einem anderen, auch ihm noch unbekannten ich, überprüfen und werten zu lassen. nun erst war es ihm möglich, sein bisher geschriebenes nochmals zu lesen und einzuordnen, ohne sich dauernd peinliche fehler vorwerfen zu müssen. er war in die haut eines anderen schriftstellers geschlüpft und betrachtete sich nun mit einiger skepsis.

 

diese krakengeschichte, natürlich, einiges an ihr scheint bemerkenswert, auch gekonnt, vieles bleibt zu oberflächlich, ohne innere verknüpfungen, manches ist auch schon nahe an der trivialität. dieses fantasiegebilde, welches die stadt dem leser auf umwegen näherbringen soll: zu wenig charakter hat das alles noch und wirkt oft über seiten hin aufgesetzt und dilettantisch. das spiel mit sich selbst und der erzähler bin nicht ich und ich bin nicht der erzähler. amüsant und peinlich. am ende aber immer nur peinlich.

 

diotima wusste von diesen wandlungen ulrichs noch nichts, sie schrieb beständig und mit viel ausdauer täglich ihr selbst auferlegtes pensum der dissertation weiter. sie war konsequenter in allen handlungen, hatte genauere vorstellungen als er bezüglich zukunft und zu erstrebende ziele.

 

neugierig war er und ängstlich auch, wie sie diese neuigkeiten, die er als große, überaus wichtige änderungen seines schreibens bewertete, wohl aufnehmen würde, und er wusste, dass ihr urteil ihm auf keinenfall gleichgültig sein würde, ja, dass der ganze spanienaufenthalt von ihrer reaktion abhängen würde.

 

in solchen gedanken vertieft, fiel ihm plötzlich ein, dass auch noch die forschungsarbeit zu beenden sei, und diese vorstellung verdarb ihm den ganzen nachmittag. der trockene, in seinen augen sinnlose broterwerb, war ihm zum feind geworden, ulrich sah sich durch diese poesielose arbeit in seinem genie beeinträchtigt und ärgerte sich jedesmal maßlos, wenn ihm die freundin die flucht vor der eigentlichen arbeit in sehr vorsichtiger, doch für ihn leicht durchschaubaren weise, wie den spiegel von schneewittchens stiefmutter vorhielt. dann wandte und krümmte er sich, traute sich nicht zu sagen was er dachte und fühlte: "das ist meine sache, das geht dich verdammt nicht an!", sondern suchte und fand tausend rechtfertigungen, die ihm selbst fadenscheinig erschienen, doch war diotima zu souverän, als dass sie jemals versucht hätte, die vorteile solcher augenblicke auszunutzen, um seiner oft penetranten selbstsicherheit einen schmerzhaften peitschenhieb zu versetzen.

 

sie wusste, dass andeutungen und bloß streifende bemerkungen bei ulrich das weit größere missbehagen auslösten als offene vorwürfe, die er immer weit von sich wies und dem gesprächspartner, wenn es anders nicht mehr möglich war, die verkennung seines genies unterstellte.

 

diotimas art jedoch irritierte ihn, und er wurde auch jetzt wieder nervös bei der vorstellung, sie könnte nach dem durchlesen des eben geschriebenen, jenes leicht spöttische lächeln aufsetzen, welches ihn seit beginn ihrer beziehung unsicher machte und abwechselnd mit hass und schmerz erfüllte. wahrscheinlich bedeutete dieses lächeln nun etwas völlig anderes, hatte mit der gesichtsmuskulatur der jungen frau wesentlich mehr zu tun als mit versteckten heimtückischen absichten, auch dies bedachte ulrich hin und wieder, doch, mag es in der verknüpfung mit irgendeinem, längst vergessenen ereignis liegen, oder in seinem narzisstischen bedürfnissen, gelegentlich sich als gekränkter und leidender liebhaber zu fühlen; er konnte und wollte diese lächeln nicht anders bewerten, wie er es eben gewohnt war zu empfinden.

 

 

 

 

 

(fortsetzung folgt)