schul arbeit
das ist nervig. immer schule. immer müde. immer fröhliches lernen. die lehrerin ist nett. aber ich stehe jeden tag um 6 uhr auf. dann geht’s schon los. ich will nicht aufstehen. aber meine eltern glauben, dass die schule das wichtigste für mich ist. ich glaube, dass die schule das wichtigste für sie ist. ich bin müde um 6 uhr morgens.
warum dürfen kinder nicht schlafen? in der schule bin ich dann noch immer müde und dann schimpft die lehrerin. oder gibt mir eine strafarbeit. oder eine schlechte note. wenn ich mit einer schlechten note nach hause komme, schimpfen meine eltern. nicht viel, aber sie schimpfen. und ich fühle mich dann auch schlecht. ich schimpfe nie mit meinen eltern, wenn sie etwas falsch machen. sie sagen, sie schimpfen mit mir, damit es mir später einmal besser geht
ein minister im fernsehen sagt auch immer: für die kinder nur das beste. und dann sagt er noch vieles mehr, das versteht aber kein kind. wenn die erwachsenen etwas für uns tun, warum können sie uns das denn nicht erklären? ohne lehrerin wäre die schule gar nicht so schlecht. und ohne aufstehen um 6 natürlich. die großen geschäfte machen auch erst gegen 9 auf. die büros gegen halb neun, oder so. jedenfalls spät, weil vater immer schimpft, dass die dort ja nie arbeiten, weil nie wer dort ist. wir kinder aber müssen um 5 vor 8 in der klasse sein. „guten morgen, frau lehrerin!“ das müssen wir auch sagen. zuhause ist es umgekehrt. da sagen die eltern zu uns: „guten morgen, kinder!“ und richten das frühstück. in der schule nicht. da müssen wir kinder arbeiten. richtig arbeiten. schularbeit, hausarbeit.
wer arbeitet, kriegt geld. wir kriegen noten. davon kann man sich aber nichts kaufen. außer man bekommt zufällig ein „sehr gut“, und der vater ist grad nicht sauer und rückt mit einem euro raus. ich will aber geld für meine arbeit! oder länger schlafen. „du lernst ja nicht für uns, sondern für dich, fürs leben!“, sagen dann die erwachsenen honigsüß. merkt doch jedes kind, dass die lügen. kein wort ist wahr.
wenn sie alleine sind und ihre köpfe zusammenstecken und glauben, wir kinder würden nicht zuhören, dann erzählen sie sich geschichten von damals, als sie jung waren, und wie öd und blöd die lehrer gewesen sind usw. „sinus und senus, kosinus und noch ein senus!“, brüllt dann der vater vor lachen. ich verstehe dann nichts, aber ernst sind diese gespräche nie!
„kinderarbeit ist ein delikt“, hab ich irgendwo auf der straße gelesen. das wär ja noch schöner! da werden wir zuerst gezwungen in die schule zu gehen und dann will man uns auch noch bestrafen. wenn ich groß bin, lasse ich alle schulen zusperren. und ganz dick und fett schreibe ich dann mit einem großen pinsel: „kinderarbeit und schularbeit verboten!“
jetzt geh ich in die dritte klasse. volksschule. und wer da einen dreier bekommt, darf dann später nicht ins gymnasium, und wer nicht ins gymnasium geht, darf nicht studieren. ich aber will studieren und tierarzt werden, weil wir sonst noch alle tiere töten, um einen löwenteppich im wohnzimmer zu haben. wenn ich tierarzt bin, kaufe ich mir ein gewehr und verjage alle jäger.
aber im zeugnis habe ich einen zweier, in rechnen, und schon sagen sie zuhause: „aus dem kann nichts werden.“ wie wollen die denn das wissen. ich weiß sehr gut, was aus mir noch alles werden wird. in dieser schule aber kann man nichts werden. „mach dir nichts draus, bub“, sagt der opa, „in dieser schule wird nur der was, der schon was ist.“ das hab ich zwar noch nicht so recht verstanden. aber der opa ist ein netter mensch, und der spruch klingt gut.
hausarbeit und schularbeit. so geht das das ganze jahr. aber kinderarbeit ist verboten. asterix würde sagen: die spinnen, die erwachsenen! der michi, das ist mein freund, rechnet wie eine maschine, schreibt immer ohne fehler und ist auch in religion und turnen immer der beste. der lacht mich immer aus, wenn ich so vor mich hin schimpfe. ich aber sitz jeden tag nach der schule noch eine ganze stunde vor dem schreibtisch und muss mich mit den langweiligsten rechenaufgaben herum schlagen. der michi macht das in fünf minuten.
dafür ist die sarah viel langsamer als ich. das freut mich dann. weil ich nicht der dümmste von der ganzen klasse sein will. wenn man nicht der dümmste ist, kann man die schule leichter aushalten.
ich gehe aufs gymnasium, sagen die guten. zu mir sagen sie immer: für dich wird’s aber nicht reichen. und lachen gemein. ich werd´s denen aber zeigen und gleich auf die universität gehen. ich pfeif nämlich auf das gymnasium. dort will ich eh nicht hin. da rauchen dann alle, einige halten händchen, und ich hab schon einmal ein richtiges liebespaar gesehen, die haben sex mitten am schulhof gemacht. so fest knutschen und mit den händen auf den hintern und so. pfui teufel, da geh ich lieber gleich auf die universität.
mirko kommt aus montenegro. das klingt irgendwie schön. er sagt, seine eltern seien ausländer, er aber sei inländer. und das glaub ich auch. weil er ja mit mir in derselben klasse ist. und bei uns gibt es keine ausländer. wie aber seine eltern ausländer sein können, wenn er ein inländer ist, verstehe ich nicht. ich habe einmal meinen vater gefragt: „was ist denn ein ausländer?“ und da hat er mir dann erklärt, dass ein ausländer jemand ist, der aus einem anderen land kommt. aber dann sind wir ja alle ausländer, weil vor der geburt sind wir ja auch nicht hier gewesen, sondern irgendwo. und von dort sind wir dann auf die welt gekommen. also mir sind die ausländer so egal wie die inländer. und mirko ist mein freund. das andere interessiert mich nicht.
außer dass mirko oft erzählt, dass er seinem vater bei der arbeit helfen muss. muss! sonst gibt´s ohrfeigen. weil der vater oft so viel arbeit hat, dass er das nicht alleine schafft, und dann muss eben jemand helfen. wenn mirko zufällig in der nähe ist, trifft´s halt ihn. deshalb schaut er, ja nicht zu oft in die nähe des vaters zu kommen. wenn der ihn aber trotzdem manchmal erwischt, gibt es keinen ausweg. „und der steckt dann das geld ganz alleine ein und gibt mir keinen einzigen euro für meine arbeit“, schimpft dann mirko. also wieder kinderarbeit und alle schauen dabei zu.
ihr kennt ja alle das märchen vom rotkäppchen. worum geht’s da? kinderarbeit. die dumme gans muss die großmutter verpflegen. kein sozialdienst in der nähe, und wie immer: die kinder kosten nichts. was wir so alles tun müssen. müll: kinder! eine schnelle milch: kinder! oma spürt das wetter und fühlt sich einsam: kinder! und hänsel und gretel sind ja auch nicht zum spaß in den wald gelaufen. wurden verschickt, weil: zu teuer für die familienkasse! was ich dann tun werde, wenn ich nach der volksschule direkt zur universität gehe, ist deshalb auch sonnenklar: gerechter lohn für kinderarbeit! und bald werde ich dann mein eigenes geld haben, ich meine: mein wirklich eigenes, nicht so eines, wo die oma 10 euro spendiert und papa und mama vor neid platzen und dann einen tag nichts anderes tun, als sich zu überlegen, wie sie elegant an mein geld kommen. meinst du nicht auch, der bub ist noch zu klein? in seinem alter kann er doch noch kein gefühl für den wert von geld haben. wir sollten das geld auf ein sparbuch tun, für später ... und wenn der fernseher dann plötzlich kaputt ist, oder es braucht ein neues autoradio (damit ihrs fein habt, kinder), dann ist so ein sparbuch allgemeingut.
nein, wenn ich an der uni bin, gibt’s keine märchen mehr. geld her oder ich mach denen den laden dicht. kinderpower. beim münzenzählen bin ich genau. kein problem. beim rechnen in der schule ist das was anderes. wenn die lehrerin uns für unsere arbeit bezahlen würde, hätte ich auch in der schule mit dem rechnen kein problem. die kriegt für alles ihr geld. auch wenn sie mir einen fünfer gibt, kriegt die ihr geld. wir kinder kriegen nichts. dabei wär das ja alles so einfach. für den einser gibt’s 10 euro, für den fünfer nur noch 5. dann könnte jeder überleben. und das kindergeld würde endlich zu uns kommen und nicht in der neuen hautcreme von mama oder in papas antischwitzdingsbums verschwinden.
uns wird aber sogar mit den miesesten tricks das wenige geld, das wir uns hart erspart haben, auch noch weggenommen. „helfen sie helfen“, oder „licht ins dunkel“ und „auch 1 cent kann gutes tun“. kaum wird der fernseher eingeschaltet, kommt so was. oder vater hält mir die zeitung mit einer entsprechenden anzeige unter die nase. „da siehst du, wie’s euch gut geht!“ auch in der schule ist’s nicht besser. kinder in afrika, dann katastrophen hier und katastrophen dort: wir werden aufgefordert zu spenden. wenn ich das daheim vorbringe, wird gemurrt, gemault, geschimpft „alle wollen nur unsere kohle!“, „das kommt ja nie dort an!“ oder „diese lehrertussi kann mich mal!“ wenn ich aber bei der lehrerin nichts abgebe, bekommt die so kalte fältchen um die augen herum und die anderen tuscheln dann: „die haben daheim nichts!“, „der ist nur geizig!“ usw. also muss ich ans sparschwein und mindestens einen euro abliefern. und mama wird am nächsten tag dann sofort wieder so spitz anmerken: „hast wohl wieder sinnlos geld ausgegeben!“ weil - wie ich´s auch anstelle – die weiß immer haargenau, wie viel in meinem sparschwein sein sollte.
das beste aber sind dann die wochenenden. die sind dazu da, dass wir uns erholen. wie die erwachsenen auch. deshalb gibt’s auch keine hausaufgaben von freitag auf montag. weil aber die lehrer auch nicht blöd sind, haben sie sich was ganz besonderes einfallen lassen: am freitag geben sie hausaufgaben für den dienstag auf. „die könnt ihr dann ja am montag machen, kinder.“ und zu hause dann die freitagsfrage: „hausaufgabe?“ „keine.“ „lüg doch nicht!“ „ist ja aber erst für den dienstag!“ „nix da. gemacht ist gemacht!“ und damit ist der freitagnachmittag auch wieder im eimer. und am montag gibt’s sowieso wieder hausaufgabe, auch für den dienstag. nur in den ferien ist es noch schlimmer. in der letzten woche vor den ferien immer eine stimmung wie beim christkind, und „habt es fein kinder!“ und „erholt euch gut!“ und ins mitteilungsheft kommt dann noch das berühmte sätzchen, was man so, ganz nebenbei und ohne stress, alles machen sollte. rechnen wiederholen, oder gar schon vorarbeiten, tagebuch schreiben, und so weiter und so fort. dann wird zuhause gleich der ferienplan erstellt. „besser du machst das gleich, dann hast du´s hinter dir!“
so beginnen die ferien von uns kindern. mit arbeit. nicht ferienarbeit. da bekommt man ja bezahlt. nein, immer wieder dasselbe: arbeit ohne geld. aber wenn ich dann groß bin, und das wird nicht mehr lange dauern, weil ich doppelt so schnell wachsen kann, wenn ich will, wenn ich also dann groß bin, richtig erwachsen, dann mach ich alles umgekehrt und dann wird es heißen: geld ohne arbeit!
In: Gaismair-Jahrbuch 2007. Zu wahr, um schön zu sein . Hg. Alexandra Weiss, Horst Schreiber, Monika Jarosch, Lisa Gensluckner. Innsbruck: Studienverlag 2007, S. 217-221